Immotipp 23-31: Immobilienerwerb in der Zwangsversteigerung
Die Zahl der Zwangsversteigerungen in Deutschland steigt. Die Chancen, in einer Zwangsversteigerung ein „Schnäppchen“ zu machen, sind nach unserer Einschätzung derzeit besonders gut, denn bei manchen Immobilien findet sich selbst beim dritten oder vierten Termin noch kein neuer Eigentümer. Doch wie erwirbt man in der Zwangsversteigerung eine Immobilie? Wie läuft das Verfahren ab und wie vermeidet man kostspielige Fehler?
Um keine bösen Überraschungen zu erleben, sollte man sich auf eine Zwangsversteigerung gut vorbereiten. Im ersten Schritt hilft es, wenn man bei zwei oder drei Terminen einfach nur zuschaut und beobachtet, wie es die Anderen machen. Dabei erhält man einen Überblick über das Verfahren und kann sehr schnell erkennen, welche Dinge für einen Erwerb in der Zwangsversteigerung von wesentlicher Bedeutung sind. Auch die Einschätzung, ob dieser Weg zum Immobilienerwerb aus emotionaler Sicht der richtige ist, kann in einem Termin leichter getroffen werden.
Im zweiten Schritt erfolgt die Suche nach dem geeigneten Objekt. Hierbei helfen die Tagespresse mit den Versteigerungsanzeigen, der Aushang des Versteigerungsgerichtes sowie diverse einschlägige Internetseiten weiter. Die häufig gegen Geld angebotenen Versteigerungskataloge halten wir für weniger hilfreich, da die darin enthaltenen Informationen kostenfrei an anderer Stelle zu erhalten sind.
Im ersten und zweiten Schritt haben wir einen Zwangsversteigerungstermin beobachtet und nach einem passenden Objekt gesucht (siehe Immotipp 23). Ist es gefunden, sollte man im dritten Schritt eine Außenbesichtigung durchführen, um vor Ort einen genauen Eindruck vom Objekt, der Lage und der unmittelbaren Umgebung zu erhalten.
Ist das gefundene Objekt das richtige, sollte man sich im vierten Schritt genauer über die Immobilie informieren. Wesentliche Informationen enthält die bei Gericht einsehbare Versteigerungsakte, in der sich auch das – von einem Gutachter erstellte – Verkehrswertgutachten befindet. Dieses Dokument gibt Auskünfte über Objektlage und -zustand, die rechtliche Situation wie Grundbucheinträge, Vermietungsstand und enthält gegebenenfalls Objektzeichnungen und -fotos. Der im Gutachten genannte Betrag entspricht dem Verkehrswert des Objektes.
Weitere Informationen erhält man häufig in der Nachbarschaft oder von Personen aus dem Umfeld des Eigentümers. Da eine Zwangsversteigerung jedoch meist auf Antrag eines im Grundbuch abgesicherten Gläubigers angeordnet wird und der Eigentümer nicht immer daran interessiert ist, dass das Objekt versteigert wird, sind Aussagen des Eigentümers und/oder von Personen aus seinem näheren Umfeld mit Vorsicht zu betrachten. Sehr häufig werden bewußt Unwahrheiten und Lügen verbreitet, um die Versteigerung zu verhindern. Informationen von Nachbarn sind häufig deutlich zuverlässiger.
Nach den ersten erfolgreichen Schritten sollte man im fünften Schritt eine Innenbesichtigung der Immobilie versuchen. Manchmal kann diese direkt über den Eigentümer, den Gläubiger oder einen beauftragten Makler vereinbart werden. Meist werden jedoch Innenbesichtigungen vom Eigentümer verweigert, eine Möglichkeit diese zu erzwingen gibt es jedoch leider nicht. Als einzigste Quelle bleibt dann nur das Verkehrswertgutachten. Bei vermieteten Objekten kann eventuell über den gegebenenfalls bestellten Zwangsverwalter eine Besichtigung organisiert werden. Ist eine Innenbesichtigung möglich, wäre es von Vorteil, wenn man einen Architekten oder Bauingenieur hinzuzieht.
Ist nun die Entscheidung zur Ersteigerung der Immobilie getroffen, sind im sechsten Schritt die finanziellen Möglichkeiten – wie bei einem normalen Hauserwerb – zu klären, d. h. die das Eigenkapital übersteigenden Gebotshöhen müssen durch eine entsprechende Finanzierung abgesichert werden. Da neben dem Höchstgebot noch Zinsen, die Grunderwerbssteuer, Zuschlagsgebühr und Gerichtskosten für die Grundbuchumschreibung anfallen, sind diese bei der Finanzierung entsprechend zu berücksichtigen. Im Internet verfügbare Limitermittler helfen, diese Beträge zuverlässig zu berechnen.
Tipp: Erfahrungsgemäß ist die eigene Hausbank für die Finanzierung eines Zwangsversteigerungsobjektes die beste Adresse, da andere Institute, zu denen man keine persönlichen Kontakte pflegt, meist zögerlich bei derartigen Anfragen sind.
Ist die passende Immobilie gefunden und die Finanzierung geklärt, sollte man sich als nächstes eine Strategie für den Zwangsversteigerungstermin zurecht legen. Zu beachten ist, dass der betreibende Gläubiger im Vorfeld des Termines eine Entscheidung darüber trifft, ab welchem Gebot ein Zuschlag erteilt werden wird. Sollte diese Gebotshöhe nicht erreicht werden, wird der Gläubiger durch einseitigen Antrag die einstweilige Einstellung des Verfahrens beantragen und somit den Zuschlag verhindern. Dies bedeutet, dass es für die Entwicklung einer persönlichen Bietstrategie im siebten Schritt von wesentlicher Bedeutung ist, die Vorgaben des Gläubigers zu kennen. Meist erhält man auf telefonische Nachfrage problemlos eine entsprechende Information zum notwendigen Gebot.
Schritt acht ist jetzt die Entwicklung einer möglichst erfolgreichen Bietstrategie. Diese sollte zunächst die Festlegung eines persönlichen Maximalgebotes beinhalten. Die Erfahrung zeigt, dass ungerade Beträge eine bessere Höchstgrenze darstellen als glatte Summen (z. B. 101.500,– € statt 100.000,– €).
Tipp: In der Praxis hat es sich bewährt, schon zu Beginn der Bietstunde ein höheres Gebot abzugeben, da dadurch andere Bieter von Geboten abgehalten werden. Auch die Bietschritte sind wichtig. Versuchen Sie Ihre Mitbieter zu täuschen, indem Sie mit großen und unterschiedlichen Bietschritten an Ihr Maximalgebot heranbieten.
Die wichtigste Vorbereitung auf den Zwangsversteigerungstermin einer Immobilie ist im 9. Schritt die Organisation der Sicherheitsleistung. Wenn man bei einer Zwangsversteigerung ein Gebot abgibt, muss man damit rechnen, dass einer der Beteiligten (Gläubiger und/oder Eigentümer der entsprechenden Immobilien) die Hinterlegung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 10 % des Verkehrswertes verlangt.
Die Erbringung der Sicherheitsleistung ist in folgenden Formen möglich:
• Vorlage eines Bundesbankschecks, der frühestens 3 Tage vor dem Termin ausgestellt sein darf.
• Vorlage eines Verrechnungsschecks, der frühestens 3 Tage vor dem Termin ausgestellt sein darf und von einem im Inland zugelassenen Kreditinstitut ausgestellt (= unterschrieben) ist.
• Vorlage einer unbefristeten, unbedingten, selbstschuldnerischen Bankbürgschaft eines im Inland zugelassenen Kreditinstitutes.
• Vorherige, rechtzeitige Einzahlung/Hinterlegung bei Gericht (dies ist ca. 14 Tage vor dem Termin zu veranlassen). Die hierfür notwendigen Bankangaben (Kontonummer, Bankleitzahl, Betreff) sind beim zuständigen Amtsgericht zu erfragen.
Tipp: Sehr häufig ist es möglich, die Kosten und Mühen zur Hinterlegung der Sicherheitsleistung durch vorherige Anfrage beim betreibenden Gläubiger durch Vorlage einer unwiderruflichen Finanzierungsbestätigung zu vermeiden. Dies birgt zwar das geringe Risiko, dass der Eigentümer Sicherheit verlangt (kommt selten vor), kann aber sehr viele Kosten sparen helfen.
Im 10. Schritt sollte man sich mit den wesentlichen Begriffen des Zwangsversteigerungstermins vertraut machen:
Bestehen bleibende Rechte: Sollte die Zwangsversteigerung nicht aus dem bestrangig eingetragenen Recht im Grundbuch betrieben werden, kann es vorkommen, dass gegebenenfalls solche Rechte übernommen werden müssen (meist Leitungs-, Wegerecht oder Sanierungsvermerke).
Kritisch wären vorrangige, lebenslange Wohnrechte und/oder Grundschulden bzw. Hypotheken. Die Mehrzahl der Objekte wird lastenfrei versteigert, Wohnrechte sind fast immer nachrangig und erlöschen mit der Versteigerung.
Geringstes Gebot: Das geringste Gebot ist ein absolutes Mindestgebot, das immer erreicht werden muss. Es besteht aus einem bar zu zahlenden Teil (Bargebot) und den eventuell bestehen bleibenden Rechten. Zum bar zu zahlenden Teil gehören oftmals nur die Verfahrenskosten und rückständige Grundsteuern. Das geringste Gebot ist in einem abgegebenen Gebot enthalten und muss nicht separat bezahlt werden.
5/10tel und 7/10tel Grenze: Wenn das abgegebene Meist-/Höchstgebot 5/10tel des festgesetzten Verkehrswertes nicht erreicht, muss der Zuschlag von Amts wegen versagt werden. Erreicht das Gebot 7/10tel nicht, ist der Zuschlag auf Antrag der Gläubiger zu versagen. In beiden Fällen muss dann der Termin wiederholt werden. In jedem Versteigerungsverfahren kann der Zuschlag nur einmal wegen Nichterreichen dieser Wertgrenzen versagt werden.
Im 11. Schritt kommt es jetzt zum Zwangsversteigerungstermin (Ausweis nicht vergessen), dieser besteht aus 3 Teilen:
1. Bekanntmachungsteil: Durch den/die Rechtspfleger/in wird zunächst alles Wissenswerte zum Objekt verlesen (Grundbuchstand, betreibende Gläubiger, Verkehrswert mit Wertgrenzen und geringstes Gebot inklusive bestehen bleibender Rechte). Es folgen allgemeine Hinweise für die Bietinteressenten, die unter anderem den Gewährleistungsausschluss (Gericht haftet nicht) beinhalten.
2. Bietstunde: Diese wird nach den Bekanntmachungen vom/von der Rechtspfleger/in mit Uhrzeit eröffnet und dauert mindestens 30 Minuten. In dieser Zeit können Fragen an den/die Rechtspfleger/in gestellt, das Gutachten eingesehen und Gebote abgegeben werden. Die Bietstunde endet durch dreimaligen Aufruf des höchstens Gebotes und ausdrückliche Erklärung durch den/die Rechtspfleger/in.
3. Verhandlung über den Zuschlag: Nach Ende der Bietstunde und Abgabe eines zuschlagsfähigen Gebotes werden die Beteiligten zum Zuschlag gehört. An dieser Stelle hat der Gläubiger die Möglichkeit, Zuschlag verhindernde Anträge zu stellen. Erfolgen keine Anträge, wird der Zuschlag erteilt und das Eigentum am Objekt geht über. Gegebenenfalls wird (auf Antrag eines Beteiligten oder Festlegung des/r Rechtspfleger/in) über den Zuschlag in einem separaten Termin (Zuschlagsverkündigungstermin) entschieden.
Tipp: Im Zweifel ist sofort nach Zuschlagserteilung der Abschluss einer Wohngebäudeversicherung zu empfehlen.
Sind Sie im Zwangsversteigerungstermin Meistbietender geblieben, erhalten Sie im 12. Schritt den Zuschlag, mit dem Sie mit sofortiger Wirkung Eigentümer der Immobilie werden. Den für den Nachweis erforderlichen Zuschlagsbeschluss erhalten Sie im Nachgang durch das zuständige Amtsgericht. Wird der erteilte Zuschlag von einem Beteiligten angefochten und vom Beschwerdegericht rechtskräftig aufgehoben, erfolgt dies rückwirkend, als sei der Zuschlag nie erteilt worden. Warten Sie deshalb die Rechtskräftigkeit des Zuschlagsbeschlusses ab, bevor Sie die Immobilie weiterverkaufen oder bauliche Veränderungen vornehmen.
Mit der Zuschlagserteilung tragen Sie die entstehenden Kosten und Gebühren. Dieses sind die Grunderwerbsteuer, die Zuschlagsgebühr und die Gerichtskosten für die Eintragung des Eigentums ins Grundbuch. Insgesamt fallen die Kosten in der Zwangsversteigerung etwas niedriger aus, als auf dem üblichen Erwerbsweg.
Ca. 4 bis 6 Wochen nach dem Zwangsversteigerungstermin findet im 13. Schritt durch das Amtsgericht ein Verteilungstermin statt. Bis zu diesem Termin muss das Meistgebot abzüglich erbrachter Sicherheitsleistung zuzüglich 4 % p. a. Zinsen seit Zuschlagserteilung an das Gericht geleistet sein, um die Verteilung des Erlöses an die Gläubiger sicherzustellen.
Tipp: Um die Zinspflicht zu vermeiden, können Sie das Meistgebot schon vorher beim Gericht hinterlegen.
In unserem letzten, 14. Schritt möchten wir die wohl meist gestellte Frage beantworten. Wie kann man ein bewohntes Zwangsversteigerungsobjekt beziehen?
Bewohnt der alte Eigentümer die erworbene Immobilie selbst, kommt der Beschluss über den Zuschlag einem Räumungstitel gleich. Dennoch sollten Sie dem Alteigentümer eine schriftliche Aufforderung zur Räumung zukommen lassen. Wird dieser nicht nachgekommen, müssen Sie im schlimmsten Fall beim zuständigen Gerichtsvollzieher die Zwangsräumung beantragen. Einen Zivilprozess müssen Sie dafür nicht anstrengen, die vollstreckbare Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses reicht dafür aus.
Ist die Immobilie vermietet, übernehmen Sie mit der Erteilung des Zuschlages alle Rechte und Pflichten des bestehenden Mietvertrages. Als neuer Eigentümer steht Ihnen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt jedoch ein sogenanntes Sonderkündigungsrecht zu. Dieses erlaubt Ihnen, das bestehende Mietverhältnis gemäß der gesetzlichen Fristen zum nächst möglichen Termin zu kündigen, auch wenn im Mietvertrag eine längere als die gesetzliche Kündigungsfrist vereinbart wurde. Bei Mietverträgen über Wohnraum sind zusätzlich die Mieterschutzbestimmungen zu beachten, d. h. hier ist ein gewichtiger Grund, wie beispielsweise Eigenbedarf, geltend zu machen.
Tipp: Um folgenschwere Fehler bei der Kündigung von Mietverträgen zu vermeiden, ist es ratsam einen Anwalt mit der Wahrnehmung der Interessen zu beauftragen.
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